2. Dezember
Ich liebe alte Hunde. Nicht nur, weil sie besser in meine Lebenssituation passen als ein quirliger Welpe oder Junghund, sondern insbesondere, weil von ihnen eine ganz besondere Ausstrahlung ausgeht, die mich magisch anzieht.
Die Verluste, die mich durch das fortgeschrittene Alter meiner adoptierten Senioren viel früher trafen, waren trotz der unvergesslichen Zeit mit diesen Hunden jedes Mal hart. Nach drei Abschieden in 10 Jahren brauchte ich eine Pause.
Nach einem halben Jahr begann ich wieder Ausschau zu halten. Es gibt so viele Hunde da draußen, die ein Zuhause brauchen und ich konnte und wollte ihnen eines geben. Oder jedenfalls einem von ihnen. Meine Freunde meinten, es wäre sicherlich besser für mich, wenn ich mich bei der nächsten Adoption nach einem jüngeren, agileren, nicht so großen, hoffentlich länger lebenden Hund umschaue. Halbherzig gab ich ihnen Recht.
Im September 2015 entdeckte ich Tündér im Internet. Aus seinen blinden Augen „schaute“ er mich an. Dieser Blick ging direkt in mein Herz. Ich recherchierte weiter und fand den Text, um die Bitte einer Patenschaft für ihn auf der Projekt-Pusztahunde-homepage, den ich hier verkürzt zitiere:
„Tündér gehört zu der stolzen und imposanten ungarischen Hüte-Rasse Kuvasz. Aber fast haben seine Besitzer diese stolze Erscheinung zugrunde gerichtet. Allein, verlassen, festgebunden, blind und bereits in die Jahre gekommen, haben sie Tündér ihrem Schicksal überlassen, einen langsamen, qualvollen Tod in Kauf nehmend, denn Tündér konnte sich weder vor der sengenden Sonne in Sicherheit bringen, noch Futter oder Wasser finden.
„Es war Glück in letzter Minute, dass Tündér gerettet wurde. Er kam mit einem Hitzschlag, stark dehydriert und völlig unterernährt in die Pflegestation und wurde sofort tierärztlich versorgt. Die schnelle Hilfe hat ihm das Leben gerettet …“
Aber nein, es ging nicht. Ich hatte so halbwegs versprochen, keinen alten, großen, misshandelten Hund mehr zu adoptieren. Und redete mir ein, dass es so sicherlich besser sei.
Doch ich schaute immer wieder nach ihm. Vielleicht hatte er schon ein Zuhause gefunden? Ich wünschte es ihm so sehr. Doch es gab wohl keine Interessenten für ihn. Anscheinend wartete Tündér darauf, dass ich endlich seine Vermittlerin anrief. Was ich dann auch tat. Am 13.12.2015 zog der große, alte Tündér bei mir ein.
Trotz seines geschundenen Körpers, seiner jahrelangen grausamen Haltung und seiner Blindheit, strahlte er Stolz und Würde aus und eine große Souveränität. Ich durfte ihm anfangs nicht zu nahekommen. Dann tat er durch beeindruckendes Knurren kund, das ihm das missfiel. Ich beobachtete ihn genau und nahm seine Annäherungen gerne an. Er war süchtig nach Streicheleinheiten. Das Spazierengehen funktionierte nicht. Natürlich hatte er noch kein Vertrauen zu mir. Und so kamen wir anfangs höchstens ein paar Meter weit. Mein Pflegehund war auch keine Hilfe. Tündér ließ sich weder von einem Artgenossen noch von einem Menschen zu etwas überreden.
Ein blinder Hund ist eine Herausforderung. Ein blinder Kuvasz mit Namen Tündér war, trotz seiner Liebenswürdigkeit und seines umwerfenden Charmes, eine sehr große Herausforderung. Es lag nicht an ihm. Ich hatte bereits Erfahrung mit Herdenschutzhunden, doch dies brachte mich bei dem Ungar nicht wirklich weiter. Ich hielt Ausschau nach einer Hundetrainerin und Verhaltenstherapeutin. Beide gaben mir wertvolle Tipps, die halfen, dass Tündér und ich uns wirklich annäherten.
Und nun, nach fast 5 Jahren gemeinsam verbrachter Zeit? Tündér und ich sind zu einem Team zusammengewachsen. Er geht gern mit mir spazieren. Aber nur mit mir. Er liebt es, gestreichelt zu werden. Doch noch heute ist es so, dass er bestimmt, wer das darf. Ich darf ihm nun ganz nah kommen. Die Menschen, die uns auf der Straße entgegenkommen, lächeln, wenn sie ihn sehen. Dieser wunderschöne Hund strahlt Liebe aus.
Durch Tündér bin ich ein Teil des großartigen Projekt-Pusztahunde-Teams geworden. Seit November 2016 bin ich in dem Verein als Vermittlerin tätig. Ich habe viele wunderbare Hunde an wunderbare Menschen vermittelt. Sicherlich ist es nicht immer einfach, einen Tierschutzhund an sein neues Leben heranzuführen, aber es lohnt sich. Was daraus erwächst, ist ein Geschenk. Danke Tündér.
Wiebke
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