Das Tagebuch des Preston
Eine Erzählung von Jenny Buchholtz

Preston
Prolog
Hallo, mein Name ist Preston, ich habe gehört, daß es in England eine Stadt geben, die nach mir benannt ist. Cool - ich war aber noch nie dort. Überhaupt bin ich jetzt, zum ersten Mal, aus meinem Heimatland - aus Ungarn fort.
Mit dem Tag, als ich in den Fernreisbus für Hunde einsteigen durfte, begann der dritte Teil meines Lebens und davon handelt diese Geschichte – meine Geschichte.
Aber bevor ich anfange, noch ein paar Worte zu mir.
Also, wie bereits erwähnt, höre ich auf den schönen Namen Preston, ich wurde im Juni 2o19 in der Gegend von Kiskun in Südungarn geboren. Ich war von vornherein anders wie meine Geschwister. Aber das störte in unserer Familie niemanden. Ich wuchs zu einem fröhlichen Hund heran.
Dann, später, es war im Oktober 2o22, war ich gerade dabei mir etwas zu fressen zu suchen, als ein Mann kam der erstaunlich nett war.
Ich hatte auch schon andere Menschen kennengelernt, die waren unfreundlich oder sogar richtig böse, aber der hier war mir recht sympathisch und so hatte ich nichts dagegen, als er mich mitnahm.
Damit endete mein Straßenhundedasein.
Bis zu dem Tag, wusste man nie genau ob und was man zu fressen findet, wo man schlafen wird – ob man überlebt. Ganz ungefährlich ist das Leben als Straßenhund nämlich nicht. Und wenn man wie ich, eine andere Hüfte hat, kann man noch schneller unter die Räder kommen.
Jetzt begann also mein Leben als Tierheimhund.
Teil zwei sozusagen.
Mit der Freiheit war es nun also vorbei, aber es gab und gibt hier immer und ich meine immer, jeden Tag (!) genug zu fressen und außerdem auch noch genug sauberes Wasser. Dazu noch einen schönen, sicheren Schlafplatz und keine unfreundlichen Menschen.
Ja, zugegeben frei sein hat seinen Reiz, aber in Sicherheit zu leben und dabei auch noch gut versorgt sein – ich denke viel besser kann Hund es nicht haben.
Oder?
Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich einem Tierarzt vorgestellt.
Ich wurde untersucht, bekam meinen Chip gesetzt – jetzt war ich nicht mehr nur irgendein Hund. Jetzt war ich Preston. Ich wurde auch geimpft, damit ich nicht krank werden kann und (zugegeben, das war gemein) ich wurde kastriert. Aber jetzt ist es halt so, ich bin immer noch gut gelaunt und fröhlich.
Die Menschen hier sind echt super lieb, manchmal haben sie auch Zeit und streicheln uns. Das ist richtig toll, davon kann ich gar nicht genug bekommen.
Wenn der Tag lang ist, hört man hier die wildesten und manchmal unglaublich traurige Geschichten.
Da sind viele ehemalige Kettenhunde, Hunde die für die „Zucht“ ausrangiert und ausgesetzt wurden, wieder andere haben die niedliche Welpenzeit hinter sich und damit als Kinderspielzeug ausgedient. Ja, und dann sind da die ehemaligen Streuner wie ich einer war.
Für viele ist es hier das Paradies. Endlich Fürsorge empfangen, das ist echt unglaublich schön. Aber es gibt auch Kameraden, die haben unwahrscheinlich viel Angst vor den Menschen. Ihnen haben früher, bevor sie hier gelandet sind, andere Menschen die Seele aus dem Leib geprügelt. Diese Hunde sind doppelt gefangen, hier in ihrem Zwinger und in ihrer Angst.
Von Zeit zu Zeit kommen Menschen, die klingen von der Sprache her ganz anders, sind aber auch suuuper Lieb, die haben Leckerli dabei, streicheln uns ganz viel und machen Bilder von uns.
Damit die uns in Deutschland ein richtiges Zuhause suchen können.
So ein Zuhause soll was richtig, richtig tolles sein.
Immer, wenn genügend Hunde ein solches Zuhause bekommen können, kommt ein Hundereisbus. Dann dürfen die Hunde, die das große Los gezogen haben, auf große Fahrt gehen.
Und es ist eine große Fahrt.
Als ich im April 2o23 mitfahren durfte, dachte ich irgendwann, wir kommen nie an.
So lange, dauert also die Ewigkeit. So lange, wie eine Fahrt aus dem Süden Ungarns, bis in den Norden von Deutschland. Eeeewig !
Ja und damit, mit dieser schrecklich langen Fahrt, begann Teil drei in meinem Leben. Im Leben eines Pusztahundes.
Tag 1. – Ankunft -
Die Frau, die mich an der Endstation der Busfahrt abgeholt hat, ist mit mir auch noch ein Stück Auto gefahren und dann waren wir am Ziel.
Bevor es ins Haus geht, geht es in den Garten. Da sind noch sechs weitere Hunde. Capo und Boo, etwas kleiner wie ich. Capo versucht paarmal bei mir aufzureiten, was die Frau ihm verbietet. Boo mag mich glaube ich nicht, er knurrt mich oft an. Dabei tu ich doch gar nichts. Die Frau hofft, daß Boo, er ist als einziger noch intakt, sich noch ein kriegt. Sie meinte, er knurrt eh öfter mal, meist weiß keiner warum. Er wurde als Baby in den Müll geworfen und kam dann in ein Heim mit 700 Hunden, das war einfach zu viel. Auch für einen Terrierverschnitt.
Dann sind da noch Arnold und Crossy, sie stammen auch aus Ungarn.
Boo übrigens wie Greta, noch eine der insgesamt drei Hündinnen, aus Italien
Arnold und Crossy sind etwa meine Größe, genau wie Greta.
Nummer sechs ist schon sehr alt und nur zu Besuch, sie fährt nächste Woche wieder nach Hause.
Nach dem wir uns im Garten „Hallo“ gesagt haben und die Frau mich dafür gelobt hat, daß ich gepinkelt habe (Menschen sind komisch) gehen wir ins Haus und es gibt für alle etwas zu fressen.
Mmmmh – ist, nein war – das gut. So was feines habe ich, glaube ich noch nie gefressen. Hätte gerne mehr sein dürfen.
Die Frau sagt, ich sei viel zu dünn. Warum gibt sie mir dann nicht mehr ?
Versteh einer diese Menschen.
Hinterher wird erstmal etwas geschlafen.
Es ist gar nicht so leicht. Ich bin zwar müde, aber auch aufgeregt. Es ist alles so neu und fremd.
Aber als ich mich dann auf das Sofa an die Frau kuschle, schlaf ich doch ein. Die anderen Hunde, bis auf die alte Lina, die ja zur zu Gast ist, sagen alle Mama zu der Frau. Da ich aber nur auf Pflegestelle bin, werde ich einfach Nanny sagen.
Später geht es in den Garten. Alle rennen erstmal eine Runde, dann fangen die beiden kleineren an zu buddeln. Das sieht spaßig aus und in dem einen Loch riecht es auch ganz interessant. Nanny sagt, ich muss auch noch Muskeln aufbauen, vielleicht Kaninchen dann auch mal ein bisschen buddeln, dazu brauch ich ja die Vorderpfoten und nicht die Hinterhand. Aber auf der muss ich mich gut abstützen können, daß ist im Moment noch schwierig.
Nanny hat mich gerade wieder gelobt, weil ich gepinkelt habe und ein Haufen gemacht. Ich versteh das nicht. Ist doch völlig normal, wer trinkt und frisst muss auch das Gegenteil machen.
Crossy erklärt es mir: Du wirst gelobt, weil Du es draußen erledigt. Im Haus darf man sowas nämlich nicht machen.
Aaa-ha. Ja, leuchtet ein.
Dann kommt Nanny mit so einem seltsamen Teil an, damit rubbelt sie mir durch das Fell. Ooooh – das tut gut. Weiter machen! Mit diesem Ding, holt Nanny ganz viel totes Fell raus. Das juckt mich immer und darum ist es gleich doppelt gut. Wenn Nanny mich damit bearbeitet, ist es viel besser wie, wenn ich mich selber kratze und je mehr totes Fell sie rausholen, desto weniger juckt es.
Später gehen wir spazieren.
Das ist ganz toll. So spannend… Hier sind schon gaaanz viele Hunde gelaufen, und Katzen und Hasen, da riecht es suuuper. Weniger super sind da unsere Leinen, die verheddern sich beim Schnüffeln schon mal.
Aber Nanny sortiert sie und dann geht es weiter.
Weit gehen wir nicht, Nanny meint, das erste Mal reicht es.
Finde ich auch. So viel Neues, da weiß ich gar nicht, wovon ich als erstes träumen soll. Träumen – hoffentlich ist das nicht alles nur ein Traum. Ich möchte nicht wieder aufwachen und feststellen, daß ich noch in Ungarn bin, im Tierheim.
Es gibt wieder was zu fressen und - oh, wie praktisch, da ist so ein Ding im Napf. Da kann man reinbeißen und den ganzen Napf samt Inhalt wegtragen. Das tu ich und geh in den Raum nebenan. Da bin ich sicher und keiner kann mir was wegnehmen.
Und es gibt noch mehr. Kein normales Futter, so ein ebenso hartes, wie leckeres Ding. Das kann man nicht mal e en so runterschlingen. Da muss man lange drauf kauen. Das macht nicht nur Spaß und ist lecker, ich habe den Eindruck, das es such irgendwie beruhigt. Die ganze Aufregung von der langen Fahrt und diese vielen neuen Eindrücke, daß war schon ganz schön aufregend.
Bevor es später dunkel wird, gehen wir noch kurz in den Garten und später legen sich alle schlafen. Ich weiß gar nicht wohin ich mich legen soll. Es gibt sooo viele Möglichkeiten, - hier hin oder da hin?
Nanny legt eine große Decke zusammen und neben ihr Bett. Ja, die ist gut, die Decke ist bequem und ganz dicht bei Nanny.
Bei ihr im Bett liegt Boo, aber für mich ist daß Bett zu hoch und Boo will auch sicherlich nicht, daß ich da oben schlafe.
Also dann, Gute Nacht.